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20.11.18

BYE INSTAGRAM


Es ist längt kein Geheimnis mehr, dass Social Media - unter anderem Instagram - neben diversen positiven Aspekten noch viel mehr negative Aspekte mit sich bringt. Dazu gibt es ja bereits diverse Statistiken und Studien. Wie z.B. was Social Media mit dem Anstieg an Schönheitsoperationen zu tun hat, oder mit den Essstörungen bei Minderjährigen oder generell psychischen Leiden. 

Die ständigen Vergleiche, die Veränderung der Wahrnehmung zum eigenen Körperbild, das sich definieren durch Herzchen und Anzahl Abonnenten, das sich anonym schreiben und die Reduzierung der eigenen Person gänzlich auf das Optische. Irgendwie pervers.

Natürlich gibt es Leute, die die App "normal", "gesund" benutzen können, ohne negative Gefühle dabei zu entwickeln, ohne alle paar Minuten den Feed abzuchecken, weil man das Gefühl hat, etwas zu verpassen. Ich habe immer gedacht, ebenfalls zu den "gesunden" zu gehören. Nun denke ich etwas anders darüber. Der Prozess dahin war aber lang. Genauer gesagt dauerte er fünf Jahre und inkludierte eine Trennung.

2013 habe ich die App mit 21 Jahren als absolute Spätsünderin heruntergeladen. Vor dieser Zeit argumentierte ich den Leuten, die nicht verstehen konnten, weshalb ich noch kein Insta hätte, immer mit der Wahrheit, dass ich den Sinn dahinter nicht verstehe und ich es nicht bräuchte. Ich habe es bis dahin auch nicht gebraucht, vermisst, oder mich weniger geliebt gefühlt. Aus irgendeinem Grund, ich glaube es war mein Gefallen an der Fotografie und weil ich ein neues Handy bekommen hatte, habe ich mir die App dann runtergeladen.

Ich kann nur von meiner Perspektive aus erzählen, weshalb es für mich aktuell richtig ist, ohne Instagram zu leben. 

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Sucht. Ich habe mein Profil gestern deaktiviert und mich heute schon mehrfach dabei ertappt, wie ich das Handy ohne irgendwelchen Grund in die Hand genommen habe, um auf dem Display mit dem Daumen dort hin zu tippen, wo vorher die Insta-App platziert war. Natürlich öffnete sich nichts, denn der Platzhalter war ja leer. Danach habe ich das Handy wieder weggelegt und weiter mein Leben gelebt. Ich habe nichts verpasst. Jedoch war es amüsant, wie oft ich mein Handy für dieses Ritual in die Hände genommen hatte und dann wie ne dumme feststellen musste, dass ich gar kein Insta mehr habe. Es geschah einfach unterbewusst und es ist erschreckend, wie oft ich diesen Leerlauf nun schon durchgeführt habe, obwohl ich ja nach jedem mal realisierte, dass ich gar keine App mehr installiert habe. 

Ich habe letztens den Eintrag zum Thema "ungeteilte Aufmerksamkeit" gepostet und da ging es ebenfalls ums Thema Instagram. Wie oft wird meine Zeit mit jemandem unterbrochen, indem die Person zum Handy greift und nonsense-artig seinen Feed abcheckt. Seitdem mir das aufgefallen ist, bin ich viel bewusster in Treffen hineingegangen und habe beobachtet. Egal ob du nun in einer Runde bist oder zu zweit mit jemandem, fast jedes mal nimmt irgendwer - ohne Grund - sein Handy hervor um Instagram abzuchecken. Banane, nicht?

Instagram hat mich in diversen Punkten "kaputt" gemacht bzw. meine Sicherheiten in Unsicherheiten verwandelt. Die folgenden Zeilen sind nun vollkommen ehrlich niedergeschrieben. Sich selbst Dinge einzugestehen und zu hinterfragen tut manchmal weh, ist meistens hässlich und führt dazu, dass man sich Dinge eingestehen muss. Daraus kann man aber wachsen und für sich eine Lehre ziehen.

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Schönheitsideal. Es gab selten eine Story von mir ohne Filter. Der Filter war zudem immer so gewählt, dass er weichzeichnet. Mein Gesicht ohne kleine Mimikfältchen, Unreinheiten oder Augenringen fand ich nicht vorzeigewürdig. Ich fand mich nicht hübsch genug für die Kamera. Was paradox ist, denn ich bin viel ungeschminkt und mag meinen Look eigentlich. Auf der Strasse fühle ich mich damit selbstbewusst, vor dem Spiegel ebenfalls, aber online habe ich mich neben all den anderen immer weniger attraktiv ohne Filter gefühlt. Ist nicht so, dass ich ein unsicherer Mensch bin. Wenn ich aber die Wahl hatte, zwischen Perfekt und einfach mir, habe ich mich oft fürs perfekte entschieden, weil ich dachte - nein wusste - dass es besser ankommen wird. Das ganze fiel mir traurigerweise erst gestern auf, als ich meine letzte Story aufgenommen hatte. Ich war einfach mit keinem Filter zufrieden, ausser dem, der mich am meisten "hübsch" machte. Ich fand das ganze dann so elendig, dass ich wenige Minuten danach, die App deaktiviert habe. 

Dann kommt die ganze Bilderbearbeitung dazu. Es gab fast kein Bild von mir, welches ich nicht mindestens mit einer App bearbeitet habe. Ganz hoch im Kurs: Facetune. Augen und Zähne etwas weisser, Pupillen und Iris schärfer und leuchtender, Haut ebenmässig, Pickel und andere Unebenheiten wegradiert, allenfalls eine Körperstelle umgeformt oder kaschiert (letzeres kam zwar fast nie vor, aber es kam vor. Also bin ich ehrlich, wenn ich dazu schon Stellung nehmen möchte). Alles so nach dem Motto "bearbeitet natürlich aussehen". In ganz seltenen Momenten habe ich mich wirklich zu 100 % real gezeigt. Dies habe ich dann auch immer so gekennzeichnet. Ich habe noch nie ein Geheimnis aus meiner Bildbearbeitung gemacht. Es ist gesellschaftskonform. Es finden selten noch Abonnenten schräg, wenn du deine Bilder bearbeitest, denn es tut ja eigentlich jeder und es weiss auch eigentlich jeder. 

Wir vergleichen uns die ganze Zeit mit der nicht realen Welt. Wir wissen, dass sie fake ist, dass viele operiert sind, an sich was machen lassen haben oder das Bilder bearbeitet werden. Da ist ja auch prinzipiell nichts gegen einzuwenden.  Kein grösserer Kanal heutzutage kommt noch ohne Bildoptimierung aus und damit meine ich nicht Kontrast-, Licht- und/oder Hintergrundoptimierung, sondern die bewusste Optimierung des Aussehens. Aber obwohl wir das alles wissen, vergleichen wir uns trotzdem damit, weil man eben nicht genau eruieren kann, was fake an der Sache ist. 

Selbstwertgefühl. Mein eigenes wurde unterbewusst manchmal ganz klar nur noch durch Anzahl Herzchen oder Abonnenten definiert. Hätte ich mir natürlich nie eingestanden, aber jetzt reflektierend, weiss ich, dass es mich beeinflusst hat. Ich wusste genau, wie viele Leute mir auf Instagram folgen und wenn nach einem Bildupload die Anzahl gesunken ist, ist ihr meine Stimmungskurve sogleich gefolgt. 

Wieso erhält dieses Bild jetzt nur so und so viel Likes und das andere so viel?
Wieso habe ich heute die 700 Abonnenten geknackt und morgen schon nicht mehr?
Wieso folgt mir Person XY und tut es dann nicht mehr?

Wenn mir Leute auf meine Stories per direct Message geschrieben haben, war das ein gutes Gefühl. Logisch. Wenn allerdings niemand was dazu geschrieben hat, war es eine Enttäuschung. Ebenfalls logisch.

Durch den Feed auf der Homeseite zu scrollen war teilweise tödlich und süchtig machend zu gleich. Wie viele Minuten ich schon darein investiert habe. Peinlich! "Die hat aber schöne Lippen, solche will ich auch. Guck dir diese Brüste an, wieso können meine nicht so schön sein, was für Beine, wieso wurde ich mit solchen Schenkeln bestraft, die hat so schöne Augenbrauen, Haut, Haare, Fingernägel, wieso kann ich mir das und das nicht leisten, wieso nie an solche schöne Orte reisen, wieso bin ich nicht so glücklich wie die?, bla bla bla". Immer dieser Vergleich. Wenn wir ehrlich mit uns selbst sind, passiert das jedem von uns. Bei den anderen stärker, bei den anderen weniger, aber kann mir keiner behaupten, er benutze Instagram ohne sich zu vergleichen oder optimieren zu wollen. Der Mensch macht dies aus der Natur heraus. Wir vergleichen.

Natürlich gibt es Kanäle, die dich inspirieren und somit stärken, dich weiterbringen, dir neue Horizonte auferlegen. Keine Frage. Nur meine Persönlichkeit hat es bis jetzt noch nicht geschafft, sich nur auf diese zu fokussieren und dann gibt es ja noch all die anderen Punkte wie z.B.:

Reduzierung/Oberflächlichkeit. Ich in meinem Fall wurde oft auf meinen Allerwertesten reduziert. Wenn ich all die Komplimente, die ich jemals via Kommentar oder direct Message erhalten habe zusammen nehmen würde und sie dann an deren Inhalt analysieren müsste, würde das Resultat wahrscheinlich so ausfallen, dass 80 % meinem Poppes zu gute kommen. Der Rest wäre aufgeteilt auf meinen aktuellen Buzzcut, meine sportliche Figur und meine Tattoos.  Komplimente sind schön und ich schätze meinen Po. Versteht mich nicht falsch. Daran ist nichts verkehrt. Es veränderte aber meine eigene Sicht auf mich selbst und dann kommt noch dazu, dass wer viele Komplimente bekommt, abstumpft und sie nicht mehr wertschätzt oder gar für voll nimmt. Man mag es vielleicht auch einfach irgendwann nicht mehr hören. Es ist eine Mischung aus alle dem.  

Ich kleidete mich vermehrt nur noch so, dass mein Po im Fokus stand und paradoxerweise fühlte ich mich auch nur noch dann attraktiv. Wenn ich zum Beispiel etwas anhatte, was meinen Po kleiner aussehen lies oder ihn sogar verdeckte, dann habe ich das Outfit nicht gefühlt und ich fühlte mich nicht ready to go, ready to flash. Dieses Gedankengut hatte ich früher nie. Früher fand ich mich als ganzes Wesen schwer in Ordnung. Unter anderem deshalb habe ich mir auch den Buzzcut geschnitten. Weil ich wegkommen wollte von Schönheitsmerkmalen, die mich definieren oder durch die ich mich definiere(n lasse). Ich will von Innen schön und selbstbewusst sein. 

Eindeutige Unterhaltungen. Leute fällen ihr Urteil sehr schnell. Vor allem, wenn sie sich nur an Bildern orientieren können. Ich hatte aufgrund meiner Extrovertiertheit deshalb oft das Problem, dass ich ganz eindeutige Nachrichten erhalten habe. Klar, die weniger suspekten schmeicheln einem vielleicht. Welchem Ego gefällt es nicht zu lesen, dass man eine attraktive Frau ist. Meistens war es aber zu eindeutig, zu oberflächlich, zu forsch, als ob ich Freiwild wäre. Man erhält ungefragt komische Angebote oder unschöne Bilder.  Als ob meine Art, wie ich meine Bilder inszeniere, irgendeine Legitimation dafür darstellen würde.


Fazit. Summa summarum hat mir Instagram keinen Gefallen erwiesen. Ich habe viele Fehler darauf gemacht. Mich auf falsche Leute und Unterhaltungen mit ihnen eingelassen, damit viel kaputt gemacht, Bilder hochgeladen, die ich nachher bereut habe, meine vielen Stunden, die ich dafür verschwendet habe, um keinen wirklichen Mehrwert davon zu tragen. Teilweise war es wichtiger, ein Foto von was für Instagram zu machen, anstatt es einfach live zu geniessen. Instagram soll nicht die Macht darüber haben, wie ich mich fühle oder zu mir selbst stehe und sie soll auch keine Plattform für ekelhafte Anmachen bieten. 

Instagram hat Anfangs so viel Spass gemacht, weil es kreativ war, inspirierend und neu. Ich kehre gerne wieder zurück, wenn ich das Gefühl habe, einen richtigen Umgang damit gefunden zu haben und wenn es diese Reize wieder für mich bietet. 

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